Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 4 (April) - ISSN 1619-2389
 

Krisenkommunikation und Krisenmanagement
der Christlich-Demokratischen Union (CDU)

von Klaus-Peter Johanssen

War der CDU-Parteitag in Essen schon die Wende? Reicht die Inthronisierung einer neuen Parteispitze? Die bisherigen Umfrageergebnisse zur NRW-Wahl scheinen dagegen zu sprechen. Da mag man von dem Wahlkampf des Jürgen Rüttgers halten, was man will. Wunder dauern eben doch länger. Aus einer solch tiefen Krise, wie sie die CDU seit Ende letzten Jahres durchmacht, befreit man sich nicht über Nacht. Ihre gesamte Führung trägt Schuld daran, wo die Partei in der öffentlichen Meinung heute steht. Denn wer nicht darauf sieht, wie sein Handeln von der Öffentlichkeit beurteilt wird, muss sich nicht wundern, wenn diese Öffentlichkeit sich von ihm abwendet.

Ohne öffentliche Zustimmung und Akzeptanz kein Erfolg - das gilt für Unternehmen wie für Parteien. Es ist kaum zu verstehen, dass diese Erkenntnis manchen Politikern offenbar nicht einmal in Wahlzeiten dämmert. Leichtfertiger jedenfalls als die CDU in der Spendenaffäre kann man mit seinem Ansehen in der Öffentlichkeit nicht umgehen. Das Vertrauen der Bürger in die Politiker, ohnehin schon aus vielerlei Gründen recht strapaziert, war durch die immer neuen Enthüllungen zutiefst erschüttert. Die Bevölkerung sah all ihre Vorurteile bestätigt: jeder denkt nur an sich und seinen persönlichen Vorteil, Gesetze gelten nur für die anderen, bloß nichts freiwillig zugeben - und dabei sind die Politiker die Schlimmsten. Diesen Hintergrund hat die CDU bei ihrer Krisenbewältigung nicht angemessen berücksichtigt.

Aus Kommunikationssicht hat die CDU die Grundregel missachtet, dass Botschaften ihren Empfänger nur erreichen, wenn sie gleichzeitig dessen Bedürfnis nach sachlicher wie nach emotionaler Information befriedigen. Sieht sich der Empfänger nämlich nicht richtig in seinen Gefühlen und Wertvorstellungen angesprochen, sperrt er sich emotional zunehmend auch gegen die Sachinformationen. Als Folge dessen wird die Kommunikation immer unsachlicher, gefühlsbetonter und aggressiver. Der Empfänger der Botschaft hält sein Gegenüber für nicht mehr vertrauenswürdig, während dieser sich ungerecht behandelt und falsch verstanden fühlt. Schließlich findet überhaupt kein "Austausch", also keine direkte Kommunikation zwischen den Beteiligten mehr statt. Der Konflikt wird zur Krise.

Der Spendenskandal der CDU ist eine solche Vertrauenskrise, und zwar in massiver Form. Mitglieder, politische Gegner, Medien, die breite Öffentlichkeit - niemand glaubte den Beteuerungen der CDU-Vertreter mehr. Kein Wunder, wo jeden Tag neue Ungeheuerlichkeiten und neue in die Affären Verstrickte auftauchten, sich die viel versprochene rückhaltlose Aufklärung als ein stückweises Sich-aus-der-Nase-ziehen-Lassen darstellte. Immer noch gerade rechtzeitig, bevor andere die Dinge ans Tageslicht förderten. Wahrlich kein Verhalten, das Vertrauen schafft! Damit gerät Politikerverdrossenheit zur Politikverdrossenheit und erschien die CDU-Affäre vielen als Staatskrise.

Wenn auch das Desaster der CDU nun wahrlich nicht die Folge ihres schlechten Krisenmanagement war, denn auch das beste Krisenmanagement hätte das öffentliche Entsetzen über die Aufdeckung der Spendenaffären nicht verhindern können, hätte der Partei ein besseres "Managen" der Vorgänge gut zu Gesicht gestanden. Gerade in der heutigen Mediengesellschaft hängen die politische Legitimation und die Wählbarkeit einer Partei, also letztlich ihr "Erfolg", entscheidend von einer ausgefeilten Kommunikationsstrategie ab, wie etwa die Kampagne der SPD zur letzten Bundestagswahl deutlich gezeigt hat. Erst recht gilt das natürlich in Krisenzeiten, denn Krisenmanagement ist in erster Linie das Management der Kommunikation, verlangt also nach einer klaren Strategie und einer professionellen Umsetzung der Kommunikationsprozesse. Hätte es das bei der CDU gegeben, wäre ihr Sturzflug mit Sicherheit etwas weniger steil verlaufen. Denn Krisen, insbesondere ihr Ausmaß, sind meistens weniger das Ergebnis des Vorfalls an sich, sondern des falschen Umgangs damit.

Was hätte anders gemacht werden sollen, soweit man das von außen beurteilen kann? Es drängt sich der Eindruck auf, dass die CDU ein Krisenmanagement im eigentlichen Sinne nicht hatte. Eine Krise lässt sich nicht "nebenbei" lösen. Krisenmanagement ist vielmehr ein eigenständiger Prozess, der sicherstellt, dass die Krise und die Maßnahmen zu ihrer Bewältigung in den Mittelpunkt allen Handelns rücken. Und das hätten im Fall der CDU von Anbeginn konkrete Schritte zur Wiedergewinnung von Glaubwürdigkeit und öffentlichem Vertrauen sein müssen. Dem musste sich alles andere unterordnen.

Bei Unternehmen wäre dazu als erstes ein zentraler Krisenstab gebildet worden, dem für die Dauer der Krise die gesamte Entscheidungsbefugnis der Organisation obliegt und der für die Steuerung aller Prozesse, einschließlich der gesamten Kommunikation, Verantwortung trägt. Den Entscheidungen dieses Krisenstabs haben sich alle Teile des Unternehmens und alle Mitarbeiter widerspruchslos zu unterwerfen. Man kann sicher darüber diskutieren, ob das auf eine Partei, also eine Organisation mit anderen Entscheidungsstrukturen als in Unternehmen, anwendbar ist.

Vom Ergebnis her lässt sich allerdings feststellen, dass die CDU heute mit einem stringenten Krisenmanagement besser dastünde. Parteipräsidium und -vorstand sind nun einmal keine Krisenstäbe, auch wenn sie noch so häufig tagen und Beschlüsse fassen. Und ohne geschlossenes Auftreten nach außen geht es auch nicht, denn nur so lassen sich Glaubwürdigkeit und Kompetenz, anstehende Probleme ebenso schnell wie sachgerecht zu lösen, der Öffentlichkeit wirksam vermitteln. Das verlangt dann allerdings unbelastete Vertreter. Und es erfordert, dass nach außen mit einer Stimme gesprochen wird. Es kann nicht angehen, dass sich alle möglichen Funktionsträger ständig mit nicht abgestimmten und einander widersprechenden Äußerungen zu Wort melden. Wie kann da die Öffentlichkeit den Eindruck gewinnen, dass es gelingt die Dinge in den Griff zu bekommen?

Krisenmanagement bedeutet, perspektivisch und offensiv zu denken, sich im Sinne eines "worst case"-Szenarios auszumalen, was eigentlich alles passieren könnte, und dann mutig und konsequent die richtigen Schritte einzuleiten. Es hilft, den typischen Anfangsfehler vieler Betroffener zu vermeiden, das Bestehen einer Krise zu übersehen oder bewusst zu negieren, obwohl die Öffentlichkeit eine solche längst ausgemacht hat. Stattdessen beschäftigt man sich endlos mit internen Vorgängen, sucht die Schuldigen (selten bei sich selbst) und verspricht jede denkbare Aufklärung. Damit aber gerät man unvermeidlich in die Defensive und muss sich ständig gegen neue Vorwürfe verteidigen, statt das Heft in die Hand zu nehmen, zu agieren statt nur zu reagieren. Die Außenwelt will Aktionen sehen, sich nicht hinhalten lassen. Durch Aufschieben werden die Dinge nicht besser. Für zögerliches Handeln liegt auch darin keine Rechtfertigung, dass man anfangs das wahre Ausmaß der Probleme nicht übersehen kann. Selbst zu Beginn, also in einer Zeit, da noch unklar ist, was man alles nicht weiß, erwartet die Öffentlichkeit entschlossenes Vorgehen. Die bequeme Variante, alles werde schon nicht so schlimm werden, hilft nicht weiter. Ein solcher "Optimismus" ist in der Krise falsch am Platz, wird aber gerne zur Rechtfertigung einer Verzögerungs- oder Verschleierungstaktik herangezogen. Meistens ist er gerade dort anzutreffen, wo die Entscheidungsträger selbst in die Vorgänge verwickelt sind. Wenn ihnen dann die Bereitschaft fehlt, eigene Fehler sofort unumwunden einzugestehen, wird es unweigerlich zu einer Verschärfung der Situation kommen. Absolute Offenheit und Transparenz und damit unter Umständen auch das Eingeständnis unvollständigen Wissens muss von Anfang an oberstes Prinzip sein.

Ein funktionierendes Krisenmanagement hätte verhindert, die öffentlichen Reaktionen weniger ernst zu nehmen, als sie nun einmal sind, und sich stattdessen über einen Mangel an Vertrauensvorschuss zu beschweren, darüber Unverständnis zu zeigen oder gar beleidigt zu sein. Die Einschätzung der Reaktion der Öffentlichkeit ist keine Frage ihrer Interpretation, sondern ihrer einfachen - aber richtigen! - Wahrnehmung. Dazu können externe Berater hilfreich sein, denn wer sieht sich schon so (negativ), wie einen die anderen sehen. Fachleute können eher "übersetzen", welche Prozesse da eigentlich mit und in der Öffentlichkeit ablaufen. Eine objektive Sicht zeigt besser die fatale Wirkung von Öffentlichkeits- und Medienschelte auf, die schon deshalb unangebracht ist, weil allein der "Absender" der Botschaft für ihre Wirkung verantwortlich ist - hier also die CDU und ihre Führung für die öffentliche Wirkung dessen, was da ans Tageslicht kam.

Gegenüber einer aufgebrachten Öffentlichkeit sind langatmige Ausführungen darüber, dass und warum man sich im Recht befinde und eigentlich nicht wirklich etwas falsch gemacht habe, fehl am Platz. Empörte Menschen interessieren sich nicht für Rechtfertigungen, Absichtserklärungen und vermeintliche Fakten. Vertrauen der Öffentlichkeit und Glaubwürdigkeit sind nichts Selbstverständliches, man muss sie sich erwerben und erhalten, sich ihrer würdig erweisen. Verlust der Glaubwürdigkeit und mangelndes Vertrauen heißt, sich aufzumachen, es zurückzugewinnen. Aber nicht, sich darüber beklagen, dass man falsch gesehen werde, während immer neue Enthüllungen den Verdacht nähren, eben doch nicht schonungslos ehrlich sein zu wollen.

Die Öffentlichkeit will nur eines: Konsequenzen sehen, erleben, dass die Dinge geändert werden. Und für diese Konsequenzen hat die CDU viel zu lange gebraucht. Während sie noch nach innen schaute, offen ausgetragene Machtkämpfe nicht für ihre Geschlossenheit und den Willen sprachen, der Bewältigung der Krise alles andere unterzuordnen, hatte die Außenwelt ihr Urteil längst gefällt: "unfähig" - denn wer mit schwierigen Situationen nicht umgehen kann, ist auch sonst nicht der Richtige. Dieser Verlust an Ansehen ist der eigentliche Schaden in Krisenfällen, und der ist nur schwer zu reparieren.

Es ist wenig wahrscheinlich, dass die personelle Neubesetzung der CDU allein bereits ausreicht, der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass sie ihre politische Handlungsfähigkeit zurückgewonnen hat. Die Außenwelt registrierte bislang eher eine sich an den inneren Befindlichkeiten der Partei orientierende Diskussion. Der Neuanfang darf sich nicht in neuen Personen erschöpfen. Die Bevölkerung will erleben, dass ihre Probleme angepackt werden, dass gehandelt und nicht nur geredet wird. Daher wird sich ohne inhaltliche Profilierung, die bislang allenfalls in Ansätzen erkennbar ist, für die CDU nicht wirklich etwas ändern. Trotz allen Jubels ihrer Delegierten in Essen, die CDU hat ihre Krise noch nicht überwunden. Der Ausspruch des Dramatikers Ernst von Wildenbruch (1845-1909) "Erfahrung heißt reich werden durch Verlieren" mag ihr dabei helfen, die richtigen Erkenntnisse daraus zu ziehen.

Quelle

Dieser Beitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung der Redaktion - der folgenden Veröffentlichung entnommen:

Klaus-Peter Johanssen, Krisenkommunikation: Vom professionellen Umgang mit Krisen, in: Public Relations Forum für Wissenschaft und Praxis, 6. Jahrgang (2000), Ausgabe 2 (Mai), Seite 94 bis 95

Autor

Klaus-Peter Johanssen
Johanssen + Kretschmer
Strategische Kommunikation GmbH
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D-10785 Berlin
Telefon: +49 (0)30 520 00 57 - 0
Telefax: +49 (0)30 520 00 57 - 77
Internet: www.jk-kom.de
E-Mail: info@jk-kom.de

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
3. Jahrgang (2000), Ausgabe 6 (Juni)


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
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von Klaus-Peter Johanssen

War der CDU-Parteitag in Essen schon die Wende? Reicht die Inthronisierung einer neuen Parteispitze? Die bisherigen Umfrageergebnisse zur NRW-Wahl scheinen dagegen zu sprechen. Da mag man von dem Wahlkampf des Jürgen Rüttgers halten, was man will. Wunder dauern eben doch länger. Aus einer solch tiefen Krise, wie sie die CDU seit Ende letzten Jahres durchmacht, befreit man sich nicht über Nacht. Ihre gesamte Führung trägt Schuld daran, wo die Partei in der öffentlichen Meinung heute steht. Denn wer nicht darauf sieht, wie sein Handeln von der Öffentlichkeit beurteilt wird, muss sich nicht wundern, wenn diese Öffentlichkeit sich von ihm abwendet.

Ohne öffentliche Zustimmung und Akzeptanz kein Erfolg - das gilt für Unternehmen wie für Parteien. Es ist kaum zu verstehen, dass diese Erkenntnis manchen Politikern offenbar nicht einmal in Wahlzeiten dämmert. Leichtfertiger jedenfalls als die CDU in der Spendenaffäre kann man mit seinem Ansehen in der Öffentlichkeit nicht umgehen. Das Vertrauen der Bürger in die Politiker, ohnehin schon aus vielerlei Gründen recht strapaziert, war durch die immer neuen Enthüllungen zutiefst erschüttert. Die Bevölkerung sah all ihre Vorurteile bestätigt: jeder denkt nur an sich und seinen persönlichen Vorteil, Gesetze gelten nur für die anderen, bloß nichts freiwillig zugeben - und dabei sind die Politiker die Schlimmsten. Diesen Hintergrund hat die CDU bei ihrer Krisenbewältigung nicht angemessen berücksichtigt.

Aus Kommunikationssicht hat die CDU die Grundregel missachtet, dass Botschaften ihren Empfänger nur erreichen, wenn sie gleichzeitig dessen Bedürfnis nach sachlicher wie nach emotionaler Information befriedigen. Sieht sich der Empfänger nämlich nicht richtig in seinen Gefühlen und Wertvorstellungen angesprochen, sperrt er sich emotional zunehmend auch gegen die Sachinformationen. Als Folge dessen wird die Kommunikation immer unsachlicher, gefühlsbetonter und aggressiver. Der Empfänger der Botschaft hält sein Gegenüber für nicht mehr vertrauenswürdig, während dieser sich ungerecht behandelt und falsch verstanden fühlt. Schließlich findet überhaupt kein "Austausch", also keine direkte Kommunikation zwischen den Beteiligten mehr statt. Der Konflikt wird zur Krise.

Der Spendenskandal der CDU ist eine solche Vertrauenskrise, und zwar in massiver Form. Mitglieder, politische Gegner, Medien, die breite Öffentlichkeit - niemand glaubte den Beteuerungen der CDU-Vertreter mehr. Kein Wunder, wo jeden Tag neue Ungeheuerlichkeiten und neue in die Affären Verstrickte auftauchten, sich die viel versprochene rückhaltlose Aufklärung als ein stückweises Sich-aus-der-Nase-ziehen-Lassen darstellte. Immer noch gerade rechtzeitig, bevor andere die Dinge ans Tageslicht förderten. Wahrlich kein Verhalten, das Vertrauen schafft! Damit gerät Politikerverdrossenheit zur Politikverdrossenheit und erschien die CDU-Affäre vielen als Staatskrise.

Wenn auch das Desaster der CDU nun wahrlich nicht die Folge ihres schlechten Krisenmanagement war, denn auch das beste Krisenmanagement hätte das öffentliche Entsetzen über die Aufdeckung der Spendenaffären nicht verhindern können, hätte der Partei ein besseres "Managen" der Vorgänge gut zu Gesicht gestanden. Gerade in der heutigen Mediengesellschaft hängen die politische Legitimation und die Wählbarkeit einer Partei, also letztlich ihr "Erfolg", entscheidend von einer ausgefeilten Kommunikationsstrategie ab, wie etwa die Kampagne der SPD zur letzten Bundestagswahl deutlich gezeigt hat. Erst recht gilt das natürlich in Krisenzeiten, denn Krisenmanagement ist in erster Linie das Management der Kommunikation, verlangt also nach einer klaren Strategie und einer professionellen Umsetzung der Kommunikationsprozesse. Hätte es das bei der CDU gegeben, wäre ihr Sturzflug mit Sicherheit etwas weniger steil verlaufen. Denn Krisen, insbesondere ihr Ausmaß, sind meistens weniger das Ergebnis des Vorfalls an sich, sondern des falschen Umgangs damit.

Was hätte anders gemacht werden sollen, soweit man das von außen beurteilen kann? Es drängt sich der Eindruck auf, dass die CDU ein Krisenmanagement im eigentlichen Sinne nicht hatte. Eine Krise lässt sich nicht "nebenbei" lösen. Krisenmanagement ist vielmehr ein eigenständiger Prozess, der sicherstellt, dass die Krise und die Maßnahmen zu ihrer Bewältigung in den Mittelpunkt allen Handelns rücken. Und das hätten im Fall der CDU von Anbeginn konkrete Schritte zur Wiedergewinnung von Glaubwürdigkeit und öffentlichem Vertrauen sein müssen. Dem musste sich alles andere unterordnen.

Bei Unternehmen wäre dazu als erstes ein zentraler Krisenstab gebildet worden, dem für die Dauer der Krise die gesamte Entscheidungsbefugnis der Organisation obliegt und der für die Steuerung aller Prozesse, einschließlich der gesamten Kommunikation, Verantwortung trägt. Den Entscheidungen dieses Krisenstabs haben sich alle Teile des Unternehmens und alle Mitarbeiter widerspruchslos zu unterwerfen. Man kann sicher darüber diskutieren, ob das auf eine Partei, also eine Organisation mit anderen Entscheidungsstrukturen als in Unternehmen, anwendbar ist.

Vom Ergebnis her lässt sich allerdings feststellen, dass die CDU heute mit einem stringenten Krisenmanagement besser dastünde. Parteipräsidium und -vorstand sind nun einmal keine Krisenstäbe, auch wenn sie noch so häufig tagen und Beschlüsse fassen. Und ohne geschlossenes Auftreten nach außen geht es auch nicht, denn nur so lassen sich Glaubwürdigkeit und Kompetenz, anstehende Probleme ebenso schnell wie sachgerecht zu lösen, der Öffentlichkeit wirksam vermitteln. Das verlangt dann allerdings unbelastete Vertreter. Und es erfordert, dass nach außen mit einer Stimme gesprochen wird. Es kann nicht angehen, dass sich alle möglichen Funktionsträger ständig mit nicht abgestimmten und einander widersprechenden Äußerungen zu Wort melden. Wie kann da die Öffentlichkeit den Eindruck gewinnen, dass es gelingt die Dinge in den Griff zu bekommen?

Krisenmanagement bedeutet, perspektivisch und offensiv zu denken, sich im Sinne eines "worst case"-Szenarios auszumalen, was eigentlich alles passieren könnte, und dann mutig und konsequent die richtigen Schritte einzuleiten. Es hilft, den typischen Anfangsfehler vieler Betroffener zu vermeiden, das Bestehen einer Krise zu übersehen oder bewusst zu negieren, obwohl die Öffentlichkeit eine solche längst ausgemacht hat. Stattdessen beschäftigt man sich endlos mit internen Vorgängen, sucht die Schuldigen (selten bei sich selbst) und verspricht jede denkbare Aufklärung. Damit aber gerät man unvermeidlich in die Defensive und muss sich ständig gegen neue Vorwürfe verteidigen, statt das Heft in die Hand zu nehmen, zu agieren statt nur zu reagieren. Die Außenwelt will Aktionen sehen, sich nicht hinhalten lassen. Durch Aufschieben werden die Dinge nicht besser. Für zögerliches Handeln liegt auch darin keine Rechtfertigung, dass man anfangs das wahre Ausmaß der Probleme nicht übersehen kann. Selbst zu Beginn, also in einer Zeit, da noch unklar ist, was man alles nicht weiß, erwartet die Öffentlichkeit entschlossenes Vorgehen. Die bequeme Variante, alles werde schon nicht so schlimm werden, hilft nicht weiter. Ein solcher "Optimismus" ist in der Krise falsch am Platz, wird aber gerne zur Rechtfertigung einer Verzögerungs- oder Verschleierungstaktik herangezogen. Meistens ist er gerade dort anzutreffen, wo die Entscheidungsträger selbst in die Vorgänge verwickelt sind. Wenn ihnen dann die Bereitschaft fehlt, eigene Fehler sofort unumwunden einzugestehen, wird es unweigerlich zu einer Verschärfung der Situation kommen. Absolute Offenheit und Transparenz und damit unter Umständen auch das Eingeständnis unvollständigen Wissens muss von Anfang an oberstes Prinzip sein.

Ein funktionierendes Krisenmanagement hätte verhindert, die öffentlichen Reaktionen weniger ernst zu nehmen, als sie nun einmal sind, und sich stattdessen über einen Mangel an Vertrauensvorschuss zu beschweren, darüber Unverständnis zu zeigen oder gar beleidigt zu sein. Die Einschätzung der Reaktion der Öffentlichkeit ist keine Frage ihrer Interpretation, sondern ihrer einfachen - aber richtigen! - Wahrnehmung. Dazu können externe Berater hilfreich sein, denn wer sieht sich schon so (negativ), wie einen die anderen sehen. Fachleute können eher "übersetzen", welche Prozesse da eigentlich mit und in der Öffentlichkeit ablaufen. Eine objektive Sicht zeigt besser die fatale Wirkung von Öffentlichkeits- und Medienschelte auf, die schon deshalb unangebracht ist, weil allein der "Absender" der Botschaft für ihre Wirkung verantwortlich ist - hier also die CDU und ihre Führung für die öffentliche Wirkung dessen, was da ans Tageslicht kam.

Gegenüber einer aufgebrachten Öffentlichkeit sind langatmige Ausführungen darüber, dass und warum man sich im Recht befinde und eigentlich nicht wirklich etwas falsch gemacht habe, fehl am Platz. Empörte Menschen interessieren sich nicht für Rechtfertigungen, Absichtserklärungen und vermeintliche Fakten. Vertrauen der Öffentlichkeit und Glaubwürdigkeit sind nichts Selbstverständliches, man muss sie sich erwerben und erhalten, sich ihrer würdig erweisen. Verlust der Glaubwürdigkeit und mangelndes Vertrauen heißt, sich aufzumachen, es zurückzugewinnen. Aber nicht, sich darüber beklagen, dass man falsch gesehen werde, während immer neue Enthüllungen den Verdacht nähren, eben doch nicht schonungslos ehrlich sein zu wollen.

Die Öffentlichkeit will nur eines: Konsequenzen sehen, erleben, dass die Dinge geändert werden. Und für diese Konsequenzen hat die CDU viel zu lange gebraucht. Während sie noch nach innen schaute, offen ausgetragene Machtkämpfe nicht für ihre Geschlossenheit und den Willen sprachen, der Bewältigung der Krise alles andere unterzuordnen, hatte die Außenwelt ihr Urteil längst gefällt: "unfähig" - denn wer mit schwierigen Situationen nicht umgehen kann, ist auch sonst nicht der Richtige. Dieser Verlust an Ansehen ist der eigentliche Schaden in Krisenfällen, und der ist nur schwer zu reparieren.

Es ist wenig wahrscheinlich, dass die personelle Neubesetzung der CDU allein bereits ausreicht, der Öffentlichkeit zu vermitteln, dass sie ihre politische Handlungsfähigkeit zurückgewonnen hat. Die Außenwelt registrierte bislang eher eine sich an den inneren Befindlichkeiten der Partei orientierende Diskussion. Der Neuanfang darf sich nicht in neuen Personen erschöpfen. Die Bevölkerung will erleben, dass ihre Probleme angepackt werden, dass gehandelt und nicht nur geredet wird. Daher wird sich ohne inhaltliche Profilierung, die bislang allenfalls in Ansätzen erkennbar ist, für die CDU nicht wirklich etwas ändern. Trotz allen Jubels ihrer Delegierten in Essen, die CDU hat ihre Krise noch nicht überwunden. Der Ausspruch des Dramatikers Ernst von Wildenbruch (1845-1909) "Erfahrung heißt reich werden durch Verlieren" mag ihr dabei helfen, die richtigen Erkenntnisse daraus zu ziehen.

Quelle

Dieser Beitrag wurde - mit freundlicher Genehmigung der Redaktion - der folgenden Veröffentlichung entnommen:

Klaus-Peter Johanssen, Krisenkommunikation: Vom professionellen Umgang mit Krisen, in: Public Relations Forum für Wissenschaft und Praxis, 6. Jahrgang (2000), Ausgabe 2 (Mai), Seite 94 bis 95

Autor

Klaus-Peter Johanssen
Johanssen + Kretschmer
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Letzte Aktualisierung: Donnerstag, 18. April 2024

       

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