Ein Spin-Off der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
27. Jahrgang (2024) - Ausgabe 10 (Oktober) - ISSN 1619-2389
 

Kommunikationsstrategien in der Krise:
Ergebnisse einer experimentellen Untersuchung

von Sebastian Haugk und Prof. Dr. Dubravko Radic

Überblick

Kunden einer fiktiven Kaffeehauskette werden mit einer schweren Magen-Darm-Entzündung in Krankenhäuser eingeliefert. Die Medien berichten bereits in großer Aufmachung über die Ereignisse. Doch wie soll das Unternehmen in seiner Krisenkommunikation reagieren? Sofort entschuldigen, erst einmal abwarten oder alle Schuld von sich weisen? Zur Beantwortung dieser Frage haben Sebastian Haugk und Prof. Dr. Dubravko Radic von der Universität Leipzig eine Online-Befragung unter 524 Teilnehmern durchgeführt. Untersucht wurde, wie sich die jeweils gewählte Krisenkommunikationsstrategie auf die Reputation des Unternehmens, die Schuldzuweisung durch die Öffentlichkeit und die Wiederkaufabsichten der Konsumenten auswirkt.

Ausgangslage

Stellen Sie sich folgendes fiktives, aber nicht unrealistisches Szenario vor: Hunderte Besucher einer großen Kaffeehauskette werden in verschiedenen Städten mit einer schweren Magen-Darm-Entzündung in Krankenhäuser eingeliefert. Es scheint so, dass sie sich alle durch verseuchte Lebensmittel infiziert haben. Der Verkauf von Speisen wird durch die Kaffeehauskette umgehend eingestellt. Dennoch landet die Meldung auf den Titelseiten der Zeitungen. Reporter kampieren vor der Unternehmenszentrale. Wie sollte das Unternehmen öffentlich auf diese Krise reagieren?

Die Forschung bezüglich Krisenkommunikationsstrategien ist sich in dieser Frage nicht einig. Oftmals wird in der Literatur und Praxis eine Entschuldigung als beste Lösung vorgeschlagen (vgl. Benoit 1995; Benoit & Drew 1997). Coombs und Holladay (2008) sehen es jedoch als problematisch an, im Rahmen einer Entschuldigung in jedem Fall die eigene Schuld anzuerkennen, da dies vor Gericht zu großen finanziellen Belastungen für das Unternehmen führen kann. In einem Experiment von Claeys et al. (2010) wurde sogar festgestellt, dass einige Konsumenten die Reputation eines Unternehmens besser einschätzen, wenn das Unternehmen alle Schuld von sich weist.

Auch Dutta und Pullig (2011) konnten – wie zahlreiche weitere Autoren – keine "one type fits all"-Strategie für die Krisenkommunikation finden. Sollte die betroffene Kaffeehauskette also wirklich so schnell wie möglich demütig auftreten und eine öffentliche Entschuldigung aussprechen? Oder sollte sie erst einmal abwarten, bis die Schuldfrage geklärt ist, oder gar generell alle Schuld von sich weisen? Welche Auswirkungen haben diese unterschiedlichen Kommunikationsstrategien im Hinblick auf die eigene Reputation, die Schuldzuweisung durch die Öffentlichkeit oder die Wiederkaufabsichten durch die Konsumenten?

Experiment

Mit einem Experiment sollen genau diese Fragen beantwortet werden: Welche Kommunikationsstrategie sollte im Hinblick auf die Einschätzung durch die Konsumenten bei verschiedenen Krisenarten gewählt werden? Die Teilnehmer wurden hierbei mit der zuvor beschriebenen hypothetischen Krise und verschiedenen Kommunikationsstrategien des Unternehmens konfrontiert. Anschließend sollten sie ihre Einschätzung zu dieser Kommunikationsstrategie abgeben.

Die Krise des Unternehmens wurde mit Hilfe verschiedener Medien, wie beispielsweise Zeitungsartikeln, Bildern und Reaktionen von Betroffenen, simuliert. Das betroffene Unternehmen und die simulierten Krisenfälle sind dabei rein fiktiv, um den Einfluss von bereits vorgefestigten Meinungen auf Seiten der Teilnehmer zu minimieren. Drei Krisen, die sich in der Schuldfrage unterscheiden, wurden simuliert und von insgesamt 524 Teilnehmern in einer Online-Befragung bewertet. Dazu lasen die Teilnehmer fingierte Wikipedia-Artikel, Kundenmeinungen und Zeitungsartikel über die fiktive Kaffeehauskette "ABC Coffee".

Abbildung 1: Fiktiver Wikipedia-Eintrag

Nachdem sie sich eine Meinung über das Unternehmen bilden konnten, wurden die Reputation des Unternehmens sowie die Kaufwahrscheinlichkeit der Probanden mit Hilfe von in der Literatur erprobten Skalen gemessen. Anschließend wurde die eigentliche Krise simuliert. Dafür wurde allen Teilnehmern der Studie die Titelseite einer fiktiven Zeitung mit einem Artikel vorgelegt, die das beschriebene Szenario enthielt.

Abbildung 2: Fiktive Nachrichtenmeldung

Die Teilnehmer wurden in neun Gruppen eingeteilt und bekamen jeweils eine von drei möglichen Reaktionen des Unternehmens in Form eines Zeitungsartikels vorgelegt. Dieser beschrieb jeweils die öffentliche Reaktion des Unternehmens.

  • S1: Defensiv: Abstreiten und Weitergeben der Schuld an Zulieferer
  • S2: Zurückhaltung ("Salami-Taktik")
  • S3: Offensiv: demütiges Auftreten und Entschuldigung

Des Weiteren sahen die Teilnehmer nach der Reaktion des Unternehmens, erneut in Form eines Zeitungsartikels, eine von drei möglichen Auflösungen hinsichtlich der Schuldfrage:

  • A1: Das Unternehmen ist schuld.
  • A2: Die Schuldfrage ist unklar.
  • A3: Das Unternehmen ist nicht schuld.

Abschließend wurden nochmals die Reputation des Unternehmens und die eigene Kaufwahrscheinlichkeit abgefragt. Darüber hinaus gaben die Probanden nach der simulierten Krise auch an, inwiefern sie ABC Coffee als Schuldigen für die Krise ansehen und wie wütend sie auf das Unternehmen sind. Die folgende Abbildung stellt beispielhaft das Szenario des demütigen Auftretens dar.

Abbildung 3: Beispielhafte Darstellung von Strategie 3 

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die optimale Krisenkommunikationsstrategie eines Unternehmens einerseits von der Schuldfrage abhängt, andererseits jedoch auch davon, welches primäre Ziel es mit der Krisenkommunikation erreichen will.

Der Einfluss der Schuldfrage ist dabei größer als der Einfluss der Kommunikationsstrategien. Das Unternehmen schnitt hinsichtlich der verschiedenen Variablen (Reputation, Schuldzuweisung, Wiederkaufverhalten) immer signifikant besser ab, wenn sich später herausstellt, dass es die Krise nicht selbst verursacht hatte. Dieses Ergebnis ist durchaus zu erwarten gewesen.

Jedoch können wesentliche Unternehmensziele auch durch die gewählte Krisenkommunikationsstrategie beeinflusst werden. In jeder Krisenart führte ein demütiges Auftreten des Unternehmens mit öffentlicher Entschuldigung und angekündigter Entschädigung zum geringsten Reputationsverlust. Die Option, sich zurückzuhalten und so wenig wie möglich mit den Medien zu kommunizieren, schnitt in dieser Hinsicht bei jeder Krisenart am schlechtesten ab.

Die nachfolgenden drei Abbildungen stellen jeweils die Mittelwerte der drei alternativen Kommunikationsstrategien dar. Ein niedrigerer Wert ist dabei stets besser.

Abbildung 4: Höhe des Reputationsverlustes

Abbildung 5: Höhe der Schuldzuweisung

Abbildung 6: Verringerung der Kaufwahrscheinlichkeit

Ein Patentrezept ist die Strategie, sich öffentlich zu entschuldigen und demütig aufzutreten, aber dennoch nicht. Die Schuldzuweisung durch die Teilnehmer war bei Anwendung dieser Strategie größer, als beim Anwenden der Strategie, die eigene Verantwortlichkeit abzustreiten und die Schuld an Andere (im Szenario an Vorlieferanten) weiterzugeben. Dies gilt sowohl für den Fall, dass das Unternehmen nicht an der Krise schuld war, als auch für den Fall, dass es selbst daran schuld war.

Es sei angemerkt, dass in diesem Fall ein Abstreiten der eigenen Schuld jedoch moralisch fragwürdig ist. Die Verärgerung der Teilnehmer war jedoch wiederum bei einem demütigen Auftreten des Unternehmens geringer. Bei der Verringerung der Kaufwahrscheinlichkeit konnte keine Strategie systematisch bessere Ergebnisse erzielen als die anderen Strategien.

Fazit

Die Ergebnisse dieses Experimentes machen klar, dass sich das von einer Krise betroffene Unternehmen entscheiden muss: Soll die eigene Reputation beschützt werden, ist ein demütiges Auftreten in der Öffentlichkeit meist empfehlenswert. Steht jedoch die Minimierung der Schuldzuweisung durch die Konsumenten im Mittelpunkt des Interesses, ist das "mea culpa" jedoch nicht optimal.

Die Strategie, sich zurückzuhalten und so wenig wie möglich mit den Medien zu kommunizieren, kann nur als Option gelten, wenn die Krise noch keine größere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat. Ist die Krise jedoch bereits öffentlich, sollte sich das Unternehmen mit Blick auf die eigenen Ziele für eine Strategie entscheiden. Eine Patentlösung, auf eine Krise zu reagieren, gibt es dabei jedoch nicht.

Literatur

  • Benoit, W. L. (1995). Accounts, excuses, and apologies: A theory of image restoration. Albany, NY: State University of New York Press.
  • Benoit, W. L., & Drew, S. (1997). Appropriateness and effectiveness of image repair strategies. Communication Reports, 10, Seite 153–163.
  • Claeys, A.-S., Cauberghe, V., & Vyncke, P. (2010). Restoring reputations in times of crisis: An experimental study of the Situational Crisis Communication Theory and the moderating effects of locus of control. Public Relations Review, 36(3), Seite 256–262.
  • Coombs, W. T., & Holladay, S. J. (2008). Comparing apology to equivalent crisis response strategies: Clarifying apology’s role and value in crisiscommunication. Public Relations Review, 34(3), Seite 252–257.
  • Dutta, S., & Pullig, C. (2011). Effectiveness of corporate responses to brand crises: The role of crisis type and response strategies. Journal of Business Research, 64(12), Seite 1281–1287.

Autoren

Sebastian Haugk
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Universität Leipzig
Grimmaische Straße 12
D-04109 Leipzig
Telefon: +49 (0)341 97 33 865
Telefax: +49 (0)341 97 33 869
Internet: www.uni-leipzig.de/wifa/dlm
E-Mail: sebastian.haugk@wifa.uni-leipzig.de

Prof. Dr. Dubravko Radic
Professur für Betriebswirtschaftslehre,
insbesondere Dienstleistungsmanagement
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Universität Leipzig
Grimmaische Straße 12
D-04109 Leipzig
Telefon: +49 (0)341 97 33 860
Telefax: +49 (0)341 97 33 869
Internet: www.uni-leipzig.de/wifa/dlm
E-Mail: radic@wifa.uni-leipzig.de 

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
19. Jahrgang (2016), Ausgabe 1 (Januar)


Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher
schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.
© Krisennavigator 1998-2024. Alle Rechte vorbehalten. ISSN 1619-2389.
Internet:
www.krisennavigator.de | E-Mail: poststelle@ifk-kiel.de

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Kommunikationsstrategien in der Krise:
Ergebnisse einer experimentellen Untersuchung

von Sebastian Haugk und Prof. Dr. Dubravko Radic

Überblick

Kunden einer fiktiven Kaffeehauskette werden mit einer schweren Magen-Darm-Entzündung in Krankenhäuser eingeliefert. Die Medien berichten bereits in großer Aufmachung über die Ereignisse. Doch wie soll das Unternehmen in seiner Krisenkommunikation reagieren? Sofort entschuldigen, erst einmal abwarten oder alle Schuld von sich weisen? Zur Beantwortung dieser Frage haben Sebastian Haugk und Prof. Dr. Dubravko Radic von der Universität Leipzig eine Online-Befragung unter 524 Teilnehmern durchgeführt. Untersucht wurde, wie sich die jeweils gewählte Krisenkommunikationsstrategie auf die Reputation des Unternehmens, die Schuldzuweisung durch die Öffentlichkeit und die Wiederkaufabsichten der Konsumenten auswirkt.

Ausgangslage

Stellen Sie sich folgendes fiktives, aber nicht unrealistisches Szenario vor: Hunderte Besucher einer großen Kaffeehauskette werden in verschiedenen Städten mit einer schweren Magen-Darm-Entzündung in Krankenhäuser eingeliefert. Es scheint so, dass sie sich alle durch verseuchte Lebensmittel infiziert haben. Der Verkauf von Speisen wird durch die Kaffeehauskette umgehend eingestellt. Dennoch landet die Meldung auf den Titelseiten der Zeitungen. Reporter kampieren vor der Unternehmenszentrale. Wie sollte das Unternehmen öffentlich auf diese Krise reagieren?

Die Forschung bezüglich Krisenkommunikationsstrategien ist sich in dieser Frage nicht einig. Oftmals wird in der Literatur und Praxis eine Entschuldigung als beste Lösung vorgeschlagen (vgl. Benoit 1995; Benoit & Drew 1997). Coombs und Holladay (2008) sehen es jedoch als problematisch an, im Rahmen einer Entschuldigung in jedem Fall die eigene Schuld anzuerkennen, da dies vor Gericht zu großen finanziellen Belastungen für das Unternehmen führen kann. In einem Experiment von Claeys et al. (2010) wurde sogar festgestellt, dass einige Konsumenten die Reputation eines Unternehmens besser einschätzen, wenn das Unternehmen alle Schuld von sich weist.

Auch Dutta und Pullig (2011) konnten – wie zahlreiche weitere Autoren – keine "one type fits all"-Strategie für die Krisenkommunikation finden. Sollte die betroffene Kaffeehauskette also wirklich so schnell wie möglich demütig auftreten und eine öffentliche Entschuldigung aussprechen? Oder sollte sie erst einmal abwarten, bis die Schuldfrage geklärt ist, oder gar generell alle Schuld von sich weisen? Welche Auswirkungen haben diese unterschiedlichen Kommunikationsstrategien im Hinblick auf die eigene Reputation, die Schuldzuweisung durch die Öffentlichkeit oder die Wiederkaufabsichten durch die Konsumenten?

Experiment

Mit einem Experiment sollen genau diese Fragen beantwortet werden: Welche Kommunikationsstrategie sollte im Hinblick auf die Einschätzung durch die Konsumenten bei verschiedenen Krisenarten gewählt werden? Die Teilnehmer wurden hierbei mit der zuvor beschriebenen hypothetischen Krise und verschiedenen Kommunikationsstrategien des Unternehmens konfrontiert. Anschließend sollten sie ihre Einschätzung zu dieser Kommunikationsstrategie abgeben.

Die Krise des Unternehmens wurde mit Hilfe verschiedener Medien, wie beispielsweise Zeitungsartikeln, Bildern und Reaktionen von Betroffenen, simuliert. Das betroffene Unternehmen und die simulierten Krisenfälle sind dabei rein fiktiv, um den Einfluss von bereits vorgefestigten Meinungen auf Seiten der Teilnehmer zu minimieren. Drei Krisen, die sich in der Schuldfrage unterscheiden, wurden simuliert und von insgesamt 524 Teilnehmern in einer Online-Befragung bewertet. Dazu lasen die Teilnehmer fingierte Wikipedia-Artikel, Kundenmeinungen und Zeitungsartikel über die fiktive Kaffeehauskette "ABC Coffee".

Abbildung 1: Fiktiver Wikipedia-Eintrag

Nachdem sie sich eine Meinung über das Unternehmen bilden konnten, wurden die Reputation des Unternehmens sowie die Kaufwahrscheinlichkeit der Probanden mit Hilfe von in der Literatur erprobten Skalen gemessen. Anschließend wurde die eigentliche Krise simuliert. Dafür wurde allen Teilnehmern der Studie die Titelseite einer fiktiven Zeitung mit einem Artikel vorgelegt, die das beschriebene Szenario enthielt.

Abbildung 2: Fiktive Nachrichtenmeldung

Die Teilnehmer wurden in neun Gruppen eingeteilt und bekamen jeweils eine von drei möglichen Reaktionen des Unternehmens in Form eines Zeitungsartikels vorgelegt. Dieser beschrieb jeweils die öffentliche Reaktion des Unternehmens.

Des Weiteren sahen die Teilnehmer nach der Reaktion des Unternehmens, erneut in Form eines Zeitungsartikels, eine von drei möglichen Auflösungen hinsichtlich der Schuldfrage:

Abschließend wurden nochmals die Reputation des Unternehmens und die eigene Kaufwahrscheinlichkeit abgefragt. Darüber hinaus gaben die Probanden nach der simulierten Krise auch an, inwiefern sie ABC Coffee als Schuldigen für die Krise ansehen und wie wütend sie auf das Unternehmen sind. Die folgende Abbildung stellt beispielhaft das Szenario des demütigen Auftretens dar.

Abbildung 3: Beispielhafte Darstellung von Strategie 3 

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die optimale Krisenkommunikationsstrategie eines Unternehmens einerseits von der Schuldfrage abhängt, andererseits jedoch auch davon, welches primäre Ziel es mit der Krisenkommunikation erreichen will.

Der Einfluss der Schuldfrage ist dabei größer als der Einfluss der Kommunikationsstrategien. Das Unternehmen schnitt hinsichtlich der verschiedenen Variablen (Reputation, Schuldzuweisung, Wiederkaufverhalten) immer signifikant besser ab, wenn sich später herausstellt, dass es die Krise nicht selbst verursacht hatte. Dieses Ergebnis ist durchaus zu erwarten gewesen.

Jedoch können wesentliche Unternehmensziele auch durch die gewählte Krisenkommunikationsstrategie beeinflusst werden. In jeder Krisenart führte ein demütiges Auftreten des Unternehmens mit öffentlicher Entschuldigung und angekündigter Entschädigung zum geringsten Reputationsverlust. Die Option, sich zurückzuhalten und so wenig wie möglich mit den Medien zu kommunizieren, schnitt in dieser Hinsicht bei jeder Krisenart am schlechtesten ab.

Die nachfolgenden drei Abbildungen stellen jeweils die Mittelwerte der drei alternativen Kommunikationsstrategien dar. Ein niedrigerer Wert ist dabei stets besser.

Abbildung 4: Höhe des Reputationsverlustes

Abbildung 5: Höhe der Schuldzuweisung

Abbildung 6: Verringerung der Kaufwahrscheinlichkeit

Ein Patentrezept ist die Strategie, sich öffentlich zu entschuldigen und demütig aufzutreten, aber dennoch nicht. Die Schuldzuweisung durch die Teilnehmer war bei Anwendung dieser Strategie größer, als beim Anwenden der Strategie, die eigene Verantwortlichkeit abzustreiten und die Schuld an Andere (im Szenario an Vorlieferanten) weiterzugeben. Dies gilt sowohl für den Fall, dass das Unternehmen nicht an der Krise schuld war, als auch für den Fall, dass es selbst daran schuld war.

Es sei angemerkt, dass in diesem Fall ein Abstreiten der eigenen Schuld jedoch moralisch fragwürdig ist. Die Verärgerung der Teilnehmer war jedoch wiederum bei einem demütigen Auftreten des Unternehmens geringer. Bei der Verringerung der Kaufwahrscheinlichkeit konnte keine Strategie systematisch bessere Ergebnisse erzielen als die anderen Strategien.

Fazit

Die Ergebnisse dieses Experimentes machen klar, dass sich das von einer Krise betroffene Unternehmen entscheiden muss: Soll die eigene Reputation beschützt werden, ist ein demütiges Auftreten in der Öffentlichkeit meist empfehlenswert. Steht jedoch die Minimierung der Schuldzuweisung durch die Konsumenten im Mittelpunkt des Interesses, ist das "mea culpa" jedoch nicht optimal.

Die Strategie, sich zurückzuhalten und so wenig wie möglich mit den Medien zu kommunizieren, kann nur als Option gelten, wenn die Krise noch keine größere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat. Ist die Krise jedoch bereits öffentlich, sollte sich das Unternehmen mit Blick auf die eigenen Ziele für eine Strategie entscheiden. Eine Patentlösung, auf eine Krise zu reagieren, gibt es dabei jedoch nicht.

Literatur

Autoren

Sebastian Haugk
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Universität Leipzig
Grimmaische Straße 12
D-04109 Leipzig
Telefon: +49 (0)341 97 33 865
Telefax: +49 (0)341 97 33 869
Internet: www.uni-leipzig.de/wifa/dlm
E-Mail: sebastian.haugk@wifa.uni-leipzig.de

Prof. Dr. Dubravko Radic
Professur für Betriebswirtschaftslehre,
insbesondere Dienstleistungsmanagement
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Universität Leipzig
Grimmaische Straße 12
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Telefon: +49 (0)341 97 33 860
Telefax: +49 (0)341 97 33 869
Internet: www.uni-leipzig.de/wifa/dlm
E-Mail: radic@wifa.uni-leipzig.de 

Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
19. Jahrgang (2016), Ausgabe 1 (Januar)

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Letzte Aktualisierung: Donnerstag, 3. Oktober 2024

       

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Vervielfältigung und Verbreitung - auch auszugsweise - nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Krisennavigator - Institut für Krisenforschung, Kiel.

Internet: www.krisennavigator.de
E-Mail: poststelle@ifk-kiel.de